Mit Extended Reality den Kundenservice verbessern und Kosten senken
Das Metaverse nimmt Formen an – und zwar in Gestalt von Extended Reality (XR). Unter dem Radar des Hypes investieren Unternehmen bereits unaufgeregt in nützliche Anwendungen, auch in Deutschland. Zu den Vorreitern gehören Industrieunternehmen,
die so ihren Kunden besseren Service aus der Ferne bieten wollen. Dabei ist XR nicht mit dem Metaverse gleichzusetzen, sondern ein Instrument für Operational Excellence mit dem Fokus auf Kosteneinsparungen und Effizienz. Apple spricht dabei von
immersiven Technologien, die digitale Elemente als Ergänzung zur realen Welt (Augmented Reality (AR)) und das komplette Eintauchen in die virtuelle Welt (Virtual Reality (VR)) beinhalten.
Die Erwartungen an die virtuelle Welt sind groß und die Ambitionen als seriös einzustufen. Apple-CEO Tim Cook erklärte beispielsweise, dass es „nicht mehr lange dauern wird, bis wir auf ein Leben ohne AR zurückblicken, so wie
wir heute auf ein Leben vor dem Internet oder Smartphone zurückblicken“. Die Technologie steht auf der CEO-Agenda einer ganzen Reihe von Unternehmen aus der Tech-Branche inklusive Microsoft und Amazon.
Marktpotenzial
Das Vertrauen in das Marktpotenzial von XR wächst auch in Europa. Die durchschnittlichen Kosten für XR-Hardware sind von 5.000 Euro im Jahr 2018 auf 800 Euro im Jahr 2021 je Gerät gesunken. Gleichzeitig haben die Geräte von 650g auf
80g massiv abgespeckt und die Akkulaufzeit hat sich fast versiebenfacht. Die Folgen: geringere Kosten und damit eine explodierende Anzahl von Use-Cases über zahlreiche Branchen hinweg. Steigende Nutzerzahlen sprechen ebenfalls für einen XR-Durchbruch.:
Laut einer Umfrage des Branchenverbands Bitkom haben 16 Prozent der Befragten aus Deutschland bereits XR genutzt, weitere 37 Prozent können es sich vorstellen oder planen die Nutzung fest ein. Der Umsatz wird bis 2024 auf zehn Milliarden Euro anwachsen,
so eine Marktuntersuchung, die Sopra Steria für einen großen Telekommunikationsdienstleister durchgeführt hat. Die Killerapplikation für XR in Deutschland wird demnach nicht im Gaming zu finden sein. Vielmehr zeichnen sich kleine praktische B2B-Anwendungen als Umsatzbringer ab. Es geht schlicht darum, durch die Technologie effizienter zu werden und Kosten zu senken.
Kein zweites Second Life
Vielversprechende Anwendungsfelder sind Self-Service-Lösungen sowie Remote-Services. Die Technologie eignet sich zudem für Simulationen, Trainings, Wartungsarbeiten aus der Ferne sowie technischen Support und Ferninspektion im Kundensupport
– diese Entwicklung wird der Ausbau des 5G-Netzes beflügeln. Die Corona-Pandemie hat den Bedarf erhöht, soliden Kundenservice aus sicherer Entfernung durchzuführen. Unternehmen suchen darüber hinaus nach Antworten, wie sie in den
kommenden Jahren die Fachkräftelücke im Kundensupport schließen können. In einigen Branchen sind Maschinen und Anlagen derart komplex, dass hochbezahlte Expertinnen und Experten durch die Weltfliegen müssen. Die Deutsche Bahn verwendet
VR-Schulungen als internen Support für Wartungsarbeiten an ICE-Hochspannungssystemen weil diese nur in einem sehr kurzen Zeitraum gefahrlos betreten werden können.
Microsoft und die XR-Plattform RE’FLEKT entwickeln eine Tele-Service-Plattform für intelligente visuelle Dienste. Nutzende können sich in ein Unternehmen einwählen, um den entsprechenden Experten über eine AR-Smart-Brille, ein
Smartphone oder ein Tablet zu erreichen. Von dort aus kann der Experte sehen, was der Kunde sieht und ihn bei der Behebung etwaiger Probleme beraten. Bei einem Labortestgerätehersteller helfen visuelle AR-Autoren-Tools und 3D-geführte Arbeitsanweisungen
Außendienstmitarbeitenden, die Geräte schneller zu reparieren. Im Gegensatz zu Handbüchern auf Papier bieten die AR-Ergebnisse den Technikerinnen und Technikern die aktuellen Informationen in Echtzeit. Zudem können sie durch die immersive Technologie
das Innere von Geräten besser einsehen, ohne dass andere Gegenstände die Sicht versperren.
Die Technologie soll darüber hinaus das Kundenerlebnis insgesamt verbessern. Es geht darum, jeden Schritt der Customer Journey zu erfassen, die Notwendigkeit menschlicher Berührungspunkte zu minimieren und potenziellen Sand im Prozess-getriebe
zu beseitigen. AR/VR-Technologien dienen damit als Differenzierungsinstrument im Wettbewerb um die zufriedensten Kunden.
Business-Case für XR
Es gibt Untersuchungen, die den wirtschaftlichen Nutzen von XR für Customer Care belegen. Forrester Research hat beispiels-weise einen Business Case für XR in einem Unternehmen mit rund einer Milliarde Euro Jahresumsatz erstellt, das komplexe
Dienstleistungen verkauft und international Support für die Kunden bereitstellt. Das Ergebnis: Das Unternehmen könnte mit Hilfe von XR in einem Zeitraum von drei Jahren elf Millionen Euro einsparen. Dem stehen Kosten in Höhe von vier
Millionen Euro gegenüber, was einem Return on Investment von 177 Prozent entspricht. 42 Prozent der Kosteneinsparungen kommen durch mehr Trainingseffizienz, höhere Produktivität von Außen- und Servicemitarbeitenden, eine höhere
Produktivität beim Einsatz von Expertinnen und Experten sowie geringere Reisekosten zustande.
So wird der XR-Einsatz zum Erfolg:
- XR zunächst in einem klar abgesteckten Bereich einsetzen z.B. im internen Support oder mit Pilotkunden. Mit den gesammelten Erfahrungen den Einsatz ausweiten.
- Servicemitarbeitende und Kunden sollten in den XR-Entwicklungsprozess eingebunden und ihre Anforderungen in den Fokus gestellt werden. Die Investitionen rechnen sich nur, wenn die Prozesse mit XR besser funktionieren als ohne
- XR-Lösungen über Schnittstellen und kanal-übergreifend in die Kundenservice-Organisation einbetten. Für Kundenanliegen, die nicht gelöst werden können, eine Fallback-Lösung bereithalten.
- Ausreichend in Trainings und Change-Management investieren. Das minimiert das Risiko, dass Nutzende mit der Technik nicht zurechtkommen und sie ablehnen
- Fachlich früh mit XR in Berührung kommen und das Potenzial für das eigene Unternehmen bewerten. Dieser iterative Ansatz spart Zeit und Kosten bei initialen XR-Anwendungen.