„Es gibt Szenarien, in denen Nutzer der Apple Vision Pro 5G benötigen, obwohl WLAN verfügbar ist. Darin steckt in jedem Fall ein Revenue-Modell.“

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Nachgefragt bei Sven Wißmann und Sarah Pracht aus dem Team Telecommunications, Media and Technology von Sopra Steria hinsichtlich der Möglichkeiten der Mobilfunknetzbetreiber, die Apple Vision Pro für die 5G-Vermarktung zu nutzen.

Sven, das jüngste Whitepaper von Sopra Steria betont die Wichtigkeit der 5G-Monetarisierung für Mobilfunknetzbetreiber (MNOs). Welche konkreten Strategien siehst du im Zusammenhang mit der Einführung von Endgeräten wie der AR-Brille? 

Sven Wißmann: MNOs können gezielt Angebote für Early Adopter entwickeln, also Menschen, die 3.500 Dollar nicht abschrecken und die die AR-Brille heute schon ausprobieren wollen. Sie können zudem Nutzungshürden mithilfe ihres Infrastruktur-Know-hows abbauen und beispielsweise das Mitbenutzen von 5G-Kapazität in der Nähe ermöglichen. 

Sven Wißmann

Sven Wißmann ist Global Industry Lead Telecommunications, Media & Technology bei Sopra Steria.

 


 

Wie funktioniert das konkret?  

 

Sven Wißmann: Ein Beispiel: Jemand sitzt in einem Café, hat die teure Apple Vision Pro auf, drum herum sitzen andere Handynutzer, denen die Brille zu teuer ist, und schreiben WhatsApp-Nachrichten. Alle Telefone in der Nähe lassen sich zusammenschalten und sorgen gemeinsam für die stabile 8K-Auflösung beim Brillennutzer. Die Krux ist: Diesen Monetarisierungs-Case kann Apple ebenfalls umsetzen. Die Telekommunikationsanbieter müssen sich also etwas einfallen lassen, um ein Teil dieser Wertschöpfungskette zu bleiben – und dafür auch bezahlt zu werden. 


Und wie schaffen sie das? 


Sven Wißmann:
 Zunächst, indem sie Topqualität liefern. Bei Augmented Reality laufen zwei Videostreams zusammen: ein Stream, der die Umwelt abbildet, und ein Stream, der auf Internetdaten basiert. Und wenn der 400 Millisekunden Verzögerung hat, kannst du entweder das reale Bild bremsen – dann rennst du aber ständig gegen Stühle, weil du schon einen Schritt weiter bist, wenn du das Bild auf der Brille siehst – oder du musst den Internetstream schneller machen. Man wird wahrscheinlich einen künstlichen Puffer von wenigen Millisekunden einbauen, der aber gut verträglich für die Nutzer ist. Aber diese Reaktionszeit müssen Internet und lokale Prozessoren dann liefern. 

 



 

Die MNOs sind somit Partner der AR-Brillen-Hersteller und der Anwendungsentwickler? 

Sarah Pracht: Ja, aber nicht nur. Beim Mobile Work Congress in Barcelona haben wir beobachtet: Apple, Samsung und die ganzen anderen Hersteller werden die Use-Cases treiben. Dafür brauchen sie die Telekommunikationsunternehmen.  

Es gibt Szenarien, in denen Nutzer der Apple Vision Pro 5G brauchen, obwohl WLAN verfügbar ist. In vielen Gebäuden ist das WLAN nicht so leistungsstark. Daher braucht es das Handy mit 5G. Und das bedeutet, auch Apple, Samsung und Co. werden bei den Providern bezahlen müssen, damit ihre Brillen nutzbar sind. Die Hersteller stellen sich bereits auf derartige Szenarien mit dynamisch und fokussiert arbeitenden Antennen ein. Solche Lösungen sind extrem wichtig, um die Premium-Kunden der ersten Stunde glücklich zu machen. Da steckt in jedem Fall ein Revenue-Modell für die großen Telekommunikationsanbieter drin. 

Sarah Pracht ist Senior Consultant bei Sopra Steria Next und berät Telekommunikationsunternehmen bei Strategie- und Transformationsprojekten.


 

Eine Monetarisierungs-Chance für die Telekommunikationsbranche liegt somit in der Netzintelligenz? 

 

Sven Wißmann: Auf jeden Fall. Sie unterstützen damit 5G-Anwendungsszenarien. Die Telekommunikationsanbieter haben gerade neue APIs gelauncht – unter dem Begriff GSMA Open Gateway. Das sind im Grunde Schnittstellen, mit denen das Endgerät das Netz konfigurieren kann – superspannend. In dem Moment, in dem ich die Brille anziehe, kann mein Endgerät dem Netz sagen: „Achtung, dieses Gerät braucht jetzt 8K-Video-Content, bitte halte eine höhere Bandbreite bereit oder schalte für die Zeit der Nutzung eine Qualitätsstufe rauf – gegen Aufpreis.“  


Es läuft also im Grunde auf Coverage-on-Demand-Preismodelle hinaus? 

Sven Wißmann: Ja. Du sitzt hier und dein Handy Coverage hat keine große Bandbreite, aber in dem Moment, wo du die AR-Brille aufsetzt, konfiguriert sich die Radio-Komponente neu und liefert vielleicht trotz dicker Wand ad hoc hohe Bandbreiten. Daraus entsteht für die Telekommunikationsanbieter die Möglichkeit, durch 5G-Tarife zusätzlichen Umsatz zu generieren. 

 


 

Welche Monetarisierungs-Ansätze seht ihr noch? 

Sarah Pracht: Im Betrieb von Campus-Netzen steckt Potenzial, also in privaten 5G-Netzen von Unternehmen, Einkaufszentren, Event-Plätzen wie Stadien und Hallen oder ganzen Städten. Wenn wir irgendwann mit AR-Brillen arbeiten – dahin will Apple ja auch –, dann steigt die Bereitschaft bei Entscheidern, zusätzlich zum WLAN in private Netzwerke zu investieren. 

Darin besteht für die MNOs eine gute Vermarktungsmöglichkeit. Ein Betreiber einer großen Mall, die ggf. auch einen AR-Service anbietet, könnte sein eigenes 5G-Netz bereitstellen. Sobald die Antenne sagt: „Ich brauche jetzt hohe Netzabdeckung“, erfolgt der Wechsel ins lokale 5G-Netz. Ähnlich wie beim Strom würden die Betreiber ihre Infrastruktur dem Gesamtnetz zu Verfügung stellen, und die Telcos verdienen am Netzmanagement.  

Das sind alles Szenarien für künftige Anwendungen. Rechnet sich das schon heute? 

Sven Wißmann: Wenn die Unternehmen ihren Business-Case nach der Devise rechnen: „Das lohnt sich für uns heute nicht, die Kunden verschicken ja nur WhatsApp-Nachrichten“, ist das aus meiner Sicht zu kurz gedacht. Es kommt vielmehr darauf an, heute schon Claims abzustecken und sich einen Incumbent-Vorteil zu verschaffen, den Vorteil des Akteurs, der zuerst da ist. Wer heute die Kunden gewinnt, wird wichtige Erfahrungen sammeln und erster Ansprechpartner für weitere Use Cases werden. Nur so lassen sich Nutzerverhalten und Bedürfnisse erlernen und zukünftige Produkte entwickeln.  

 


 

Ein Teil des Whitepapers befasst sich mit der noch geringen Zahlungsbereitschaft der Kunden. Können MNOs hier aktiv etwas ändern? Sollten sie selbst auch in den Use-Case-Markt einsteigen, ggf. auch mit Partnern? 

 

Sarah Pracht: Ein Weg ist, den Run auf die Apple Vision Pro zu nutzen und damit noch mal andere Tarife zu verkaufen. Apple wird sehr schnell eine günstigere Brillenversion herausgeben. Meta ist heute schon günstiger. Dennoch brauchen Nutzer ein Handy und eine Brille. Selbst wenn du von der durchschnittlichen Dauer von zwei Jahren ausgehst, bist du bei über 100 Euro im Monat. Das ist noch kein Tarif. Hier sollten MNOs über kluge Bundling-Tarife nachdenken, die die Brille für mehr Menschen interessant machen. Der andere Weg ist, zu überlegen, wie ich B2B-Struktur-Kunden anspreche. Versorge ich die Hamburger Innenstadt? Habe ich da ein Offering? Versorge ich eine Stadt oder ein Festival oder Sport-Events? 

Was können MNOs unternehmen, um die 5G-Nachfrage bei Privatkunden zu steigern? 

Sven Wißmann: Ein eigener App-Store wird sich kaum lohnen. Da sind die Hersteller besser positioniert. Teil des Ökosystems sein und Mithelfen, die App-Stores mit Leben zu füllen, ist die bessere Strategie. Darüber hinaus können Telekommunikationsunternehmen in Sachen Lifestyle-Marketing dazulernen. Die Apple Vision Pro verkauft sich nicht über den Preis, sondern über Erlebnisse. 

Wenn MNOs tolle Technologien für die Brille entwickeln, wie das erwähnte Zusammenschalten von Handys oder Coverage-on-Demand, dann sollten sie diesen Diensten auch einen vermarktungsfähigen Namen geben und als Premium-Service ganz bestimmten Kunden zur Verfügung stellen – nur denen, die sagen: „Ist mir egal, wenn das 99 Euro zusätzlich kostet. Den Service möchte ich nicht missen.“ Aber da bin ich zuversichtlich – mit den angesprochenen Open Gateways sehen wir, dass die Telco-Anbieter es schaffen, gemeinsam einen solchen Produktnamen in den Markt zu tragen. 

 


 

Was sollte sich dafür an den aktuellen Strategien ändern? 

Sven Wißmann: Neben dem Mindset sollten die MNOs deutlich agiler bei der Gestaltung von Angeboten sein. Ein gutes Beispiel, das in diese Richtung geht: O2 Telefónica hat als eines der ersten Unternehmen den Grow-Tarif aufgelegt: 40 Gigabyte Datenvolumen und jedes Jahr gibt es zehn Gigabyte mehr. Der Trick ist: Es gibt so viele SIM-Karten, wie die Kunden haben möchten (maximal zehn). Die Kunden zahlen nicht mehr für die SIM-Karte, sondern nur noch für ein Volumenpaket. Damit wird endlich versucht, eine eingefahrene Tarif-Mechanik aufzubrechen. Ich mag den Gedanken und den Versuch, etwas anders zu machen. 

Telekommunikationsanbieter sollten häufiger bereit sein, etwas auszuprobieren, denn der Markt ändert sich ständig. Es bringt nichts, sich zu fragen: „Was ist denn heute der Tarif, der in den nächsten zehn Jahren der richtige für die Apple-Vision-Pro-User sein wird?“ Du musst das agiler halten und sagen: „Das können wir heute nicht absehen. Wir gehen jetzt mal auf die Early Adopter und Innovatoren zu, die Lust auf Technikneuheiten haben. Und dann testen wir bei den Tarifen etwas aus und schauen, was deren Use-Cases sind." Das funktioniert natürlich nur, wenn die eigenen Systeme das ohne großen Aufwand hergeben.

Die MNOs sollten sich zudem jetzt schon über jede Beschwerde von Brillennutzern über die 5G-Verbindung freuen. Bessere Daten für die Gestaltung künftiger Tarife sowie Services gibt es nicht. Idealerweise arbeitet jemand aus dem Kundenmanagement für 5G und Apple Vision Pro nah an der Produktentwicklung und versorgt die Kollegen mit Insights der Early-Adopter-Gruppe. Wenn die erfahren, dass 90 Prozent mit dem Tarif X die Brille für Use-Case Y eingesetzt haben, und dann funktionierte bei allen die gleiche Funktion nicht, dann lässt sich das Problem gezielt mit Herstellern und anderen Akteuren verbessern.  

Dafür braucht es eine agile Produktpolitik und eine Strategie, die diesen Aufwand rechtfertigt. Wer diese Premium-Feedback-Kanäle komplett über Bots bedienen möchte, wird keine guten Ergebnisse erzielen. Die Effizienz muss später kommen. 


Die Masse des Nutzerfeedbacks wird beim Hersteller landen. Wie kommt die Telekommunikationsbranche an diese Daten? 

Sarah Pracht: Indem sie häufiger Teil von Ökosystemen werden und weniger in getrennten Wertschöpfungsketten operieren. Es geht um Co-Creation-Ökosysteme und nicht darum, Kunden zu Workshops einzuladen oder Lieferant für vorhandene Ökosysteme zu sein. Alle Akteure sollten miteinander dafür verantwortlich sein, dass da draußen jemand ein tolles Erlebnis hat. Sobald du Teil des Ökosystems wirst, kriegst du Daten, die du sonst nicht bekommst. Damit kannst du wiederum Dinge verbessern und erzeugst einen neuen Wert für das Ökosystem. 

In Ökosystemen bist du zudem an der gesamten Wertschöpfung beteiligt. Netzbetreiber lassen sich nicht mehr nur für Datenbandbreite und Latenz bezahlen, sondern für ihren Anteil am Kundenerlebnis. Dafür wird die Branche ihr Mindset verändern müssen: weniger Generalunternehmerdenken, mehr partnerschaftliche Zusammenarbeit auf Augenhöhe. Womöglich ist 5G sogar zusammen mit Augmented Reality ein Game-Changer, und vielleicht ist die Open-Gateway-Initiative der großen Netzbetreiber ebenso wichtig wie die Apple Vision Pro, weil die Use-Cases optimierte Datenverbindungen benötigen.

5G Whitepaper zum Download

Boosting Willingness-to-Pay in the Consumer 5G Market with Apple Vision Pro

 

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