Nachgefragt bei Dr. Tina Wulff, Client Unit Partnerin Healthcare bei Sopra Steria, zum digitalen Impfnachweis:
Tina, welches konkrete Problem löst ein digitaler Impfnachweis? Die Lösung des Konsortiums, das in Deutschland den Zuschlag erhalten hat, sieht eine Verteilung von QR-Codes über Plastikkärtchen oder Papier an jeden registrierten Nutzer vor. Wofür braucht es da noch den digitalen hinterlegten Impfnachweis?
Der digitale Impfnachweis ermöglicht es, den Impfstatus einer Person schnell und ortsunabhängig zu überprüfen. Obendrein lässt er sich nur schwer fälschen. Der QR-Code setzt sich aus verschiedenen personenbezogenen Daten zusammen, beispielsweise dem Namen der Patientinnen und Patienten sowie dem Impfdatum. Diese Daten dienen dazu, einen digitalen Fingerabdruck zu generieren. Beim Scannen des QR-Codes, etwa beim Betreten eines Restaurants, verifiziert das System, ob ein zum QR-Code passender digitaler Fingerabdruck hinterlegt ist. Das bietet ein hohes Maß an Sicherheit.
Den QR-Code dabei auch über Plastikkärtchen oder Papier auszugeben, ist ein wichtiger Beitrag zur digitalen Inklusion. Für die Akzeptanz digitaler Lösungen ist es wichtig, dass sie allen Bürgerinnen und Bürgern zugutekommt – also auch jenen, die beispielsweise kein Smartphone besitzen – und niemanden ausschließt. Offline-Alternativen spielen deshalb eine wichtige Rolle. Spannend sind zudem die Möglichkeiten, die sich perspektivisch ergeben – also jenseits der COVID-19-Impfung. Durch einen digitalen Impfnachweis lässt sich beispielsweise sicherstellen, dass der Impfschutz jederzeit gewahrt bleibt. Zudem lassen sich Doppelimmunisierungen verhindern. Möglich wäre auch, die bereits an COVID-19-Erkrankten bei einer solchen Lösung ebenfalls zu berücksichtigen, um so generell alle Personen mit einzubeziehen, bei denen eine Immunisierung vorliegt.
Wenn Du die für Deutschland beschlossene Lösung mit denen anderer Länder vergleichst: Gibt es Lösungen, die aus Deiner Sicht benutzerfreundlicher oder auch effizienter sind?
Ich halte die in Deutschland beschlossene Lösung für gut, sie ähnelt durchaus den Ansätzen, die wir in anderen Ländern sehen. Eine Woche nach der zweiten Impfung können sich die Menschen in Israel beispielsweise online einen Impfausweis mit einem QR-Code erstellen. Damit lässt sich über eine spezielle App der „Grüne Pass“ vorzeigen oder auch einfach herunterladen und ausdrucken. Allerdings gab es da zuletzt Berichte, dass der „Grüne Pass“ nicht fälschungssicher sei. Auch Schweden will schon im Sommer einen digitalen Impfpass einführen, Dänemark ebenso. Es ist wichtig, sich all diese Lösungen im Detail anzusehen und daraus zu lernen.
Wir sollten bei digitalen Lösungen für das Gesundheitswesen generell über die Corona-Zeit hinausdenken. Wichtig ist mir daher, dass wir die jeweiligen Lösungen aufmerksam verfolgen und untersuchen, wie diese sich auch in der Zukunft einsetzen und erweitern lassen können. In Deutschland denke ich hier unter anderem an die Integrierbarkeit in die elektronische Patientenakte.
Die Lösung stammt von einem Start-up. Mit der Zulassung der digitalen Gesundheitsanwendungen spielen junge Unternehmen eine zunehmend wichtige Rolle im Gesundheitssektor. Wie bewertest Du die Kooperationen der Gesundheitsbranche mit Healthtechs? Auf welchen Gebieten können die jungen Firmen gute Dienste leisten?
In der Tat wächst die Bedeutung junger Unternehmen im Gesundheitssektor. Durch die Einführung neuartiger Konzepte und Technologien tragen sie zur Disruption bei und stellen bestehende Systeme infrage. Radikaler formuliert: Diese jungen Herausforderer haben großes Potenzial, alte Vorgehens- und Denkweisen mit neuen innovativen Ideen und Lösungen zu zerschlagen. In einer Branche, die als digitaler Nachzügler gilt, sind neue Ideen wichtig für den Wandel und um die digitale Transformation voranzutreiben.
Start-ups liefern dafür den technologischen Input entlang der gesamten Wertschöpfungskette und können damit eine der treibenden Kräfte der Digitalisierung sein. Wichtig ist es dafür, dass wir die Lösungen und Kompetenzen hierzulande entsprechend fördern und aufbauen, damit der Einfluss der großen Tech-Konzerne im Gesundheitswesen nicht überhandnimmt. Healthtechs leisten dahingehend also auch einen echten Beitrag zur digitalen Souveränität.
Ist der digitale Impfnachweis der Türöffner für eine breitere Digitalisierungsoffensive im Gesundheitswesen? Lässt er sich beispielsweise in die elektronische Patientenakte integrieren?
Der digitale Impfnachweis trägt zumindest dazu bei, die Digitalisierung im Gesundheitswesen mehr ins Bewusstsein der Menschen zu holen und auch zu Akzeptanz digitale Lösungen beizutragen. Diese Akzeptanz wirkt dann in der Tat wie ein Türöffner. Wir sehen, dass die Digitalisierung auch davon unabhängig allmählich Fahrt aufnimmt. Rechtliche Rahmenbedingungen wie das das Krankenhauszukunftsgesetz, das E-Health-Gesetz, das Patienten-Daten-Schutz-Gesetz und das Digitale-Versorgung-Gesetz spielen bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens eine wichtige Rolle. Hinsichtlich der Integration des digitalen Impfnachweises verhält es sich so, dass ab Januar 2022 der digitale Impfpass in der elektronischen Patientenakte vorhanden sein soll. Inwieweit dann eine Integration oder ein Ausbau des digitalen COVID-19-Impfnachweises in einen digitalen Impfpass für die ePA möglich oder überhaupt erforderlich ist, bleibt noch abzuwarten.
Vielen Dank für das Gespräch, Tina
Dr. Tina Wulff ist Client Unit Partnerin Healthcare bei Sopra Steria.
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