Grafen scheitern erfolgreich: Dieses auf den ersten Blick ungewöhnliche Motto wird im Zeppelin Konzern gelebt. Wie es dem Unternehmen gelingt, Erfolg zu haben, anstatt zu scheitern, und welche Rolle KI, gutes Personal und neue Geschäftsfelder dabei spielen, erklärt Geschäftsführerin Alexandra Mebus im Gespräch mit dem Head of Sopra Steria Next, Michael Buttkus.
Michael Buttkus: Sie gehören laut Untersuchung der Tageszeitung Die Welt zu den Top-Unternehmen Deutschlands. Was sind dafür aus Ihrer Sicht die Erfolgsfaktoren?
Alexandra Mebus: Der entscheidende Faktor sind unsere Mitarbeitenden und unsere Unternehmenskultur, die auf unsere Wurzeln um Luftfahrtpionier Ferdinand Graf von Zeppelin und dessen Werte zurückgeht. Diese Werte finden heute Ausdruck
in unseren zehn sogenannten Grafensätzen. Sie stehen im Zentrum des Zeppelin Wertesystems und beschreiben, wie wir als Zeppeliner mit unseren Kolleginnen und Kollegen, Kunden und Partnern zusammenarbeiten. Mein Lieblingssatz lautet: „Grafen
scheitern erfolgreich.“ Auch Graf Zeppelin musste das erleben, ehe sich seine Unternehmung damals neu erfunden hat. Die Geschichte des Unternehmens und die heute im Konzern gelebte Kultur sind deshalb eng miteinander verwoben.
Michael Buttkus: Sie sprechen die Zeppeliner an, die Mitarbeitenden. In vielen Branchen wird es ja immer herausfordernder, Fachkräfte zu finden. Inwiefern ist das auch für Sie ein Problem?
Alexandra Mebus: Natürlich betrifft das auch uns. Zeppelin ist eine People’s Company und unser Erfolg kommt in erster Linie vom Einsatz unserer Mitarbeitenden für unsere Kunden. Wir legen daher besonders großen Wert
auf unsere Mitarbeitenden, die die nötigen Skills, aber auch die Persönlichkeit besitzen, jeden Tag Lösungen für unsere Kunden und deren Herausforderungen zu schaffen. Hierfür geeignete Talente zu finden, wird immer schwieriger
– insbesondere im Bereich der Baumaschinenwartung. Hier spüren wir den Fachkräftemangel am stärksten. Einer unserer Ansätze ist es, dem mit einer guten, fundierten Ausbildung zu begegnen. Und indem wir diesen Kolleginnen
und Kollegen im Anschluss an ihre Ausbildung attraktive Laufbahnen bei Zeppelin aufzeigen, bieten wir ihnen eine langfristige Perspektive.
Michael Buttkus: Viele Unternehmen sind überzeugt, dass zahlreiche Jobs ohnehin durch Automatisierung und KI wegfallen werden.
Alexandra Mebus: Das würde ich so nicht unterschreiben. Natürlich ist Künstliche Intelligenz aber auch bei Zeppelin an unterschiedlichen Stellen im Einsatz und liefert überzeugende Ergebnisse. Wir haben zum Beispiel
KI-basierte Analysen in unserem Gebrauchtmaschinenbereich, von denen auch unsere Kunden profitieren. Für die Weiterentwicklung unserer Geschäftsmodelle ist KI daher ein wichtiger Faktor. Dennoch wird der Mensch in unseren Geschäftsfeldern
immer eine zentrale Rolle spielen.
Michael Buttkus: Sie haben fünf strategische Geschäftseinheiten: Baumaschinen Deutschland & Österreich, Baumaschinen International, Rental, Power Systems sowie Anlagenbau. Was ist Ihr Geschäftsmodell – auch
mit Blick auf KI – und wie wird oder soll es sich zukünftig wandeln?
Alexandra Mebus: Unser Geschäftsmodell ist es, über alle unsere Geschäftsbereiche hinweg für Probleme und Herausforderungen unserer Kunden stets die beste Lösung zu finden und so andauernde Werte zu schaffen.
In diesem Zusammenhang haben wir natürlich auch den technologischen Wandel im Blick. Bereits heute haben wir Künstliche Intelligenz im Einsatz, um zum Beispiel durch die Auswertung verschiedener Daten, Wartungsintervalle effizienter zu planen
und so Ausfallzeiten für unsere Kunden auf ein Minimum zu reduzieren.
Michael Buttkus: Der Wandel in der Baubranche ist im Moment ja eher negativer Art in Form eines Einbruchs. Betrifft das alle Segmente gleichermaßen?
Alexandra Mebus: Besonders betroffen ist derzeit der Hochbau, denn im Moment werden kaum Wohnungen gebaut. Und solange das Zinsniveau weiterhin hoch und die wirtschaftliche Situation herausfordernd ist, wird sich daran in der nächsten
Zeit nicht viel ändern. Im Tiefbau sind wir etwas zuversichtlicher, aber auch da ist eine gewisse Zurückhaltung erkennbar.
Michael Buttkus: Sind Sie in dieser Schwächephase aggressiver am Markt, um sich Marktanteile oder Vertriebsgebiete zu sichern?
Alexandra Mebus: Zeppelin ist ein Stiftungsunternehmen. Da ist es unser Anspruch, auch im ökonomischen Sinne nachhaltig zu handeln und Investitionen mit Weitblick zu tätigen. Das bedeutet, dass wir nicht auf kurzfristige Gewinnmaximierung
abzielen, sondern nachhaltigen wirtschaftlichen Erfolg anstreben. Auch deswegen geht es momentan in allen Bereichen zunächst um die Sicherung unseres Ergebnisses. Nichtsdestotrotz werden wir auch weiterhin strategische Investitionen tätigen.
Wir halten die Augen offen und prüfen sehr sorgfältig, wenn sich Chancen zum Wachstum ergeben. Und selbstverständlich stellen wir uns schlagkräftig auf, um bereit zu sein, sobald der Markt wieder anzieht.
Michael Buttkus: In der aktuellen Phase der Zurückhaltung ist es vermutlich nicht einfach, die Weichen für die Zukunft zu stellen. Anhand welcher Kriterien richten Sie bei Zeppelin Ihre Investitionen aus?
Alexandra Mebus: Der Kompass für Investitionen ist unsere bewährte GPS-Konzernstrategie. Was bedeutet das? G steht für „Growth“, kontinuierliches Wachstum. P für „Performance“, herausragende
Leistungen. Und S für „Stability“, nachhaltige Stabilität. Wenn ein Investitionsvorhaben diese Faktoren unterstützt, kommt es für Zeppelin infrage.
Michael Buttkus: Gibt es für Sie die Möglichkeit, auch mit anderen Baumaschinenherstellern zusammenzuarbeiten?
Alexandra Mebus: Die Partnerschaft von Caterpillar und Zeppelin dauert nun schon über 70 Jahre an und ist eine absolute Erfolgsgeschichte. Wir sind sehr stolz darauf, eines der erfolgreichsten Unternehmen der Welt und eine extrem
starke Marke mit unserer Vertriebs- und Servicemannschaft in über zehn Ländern weltweit zu vertreten. Das Portfolio von Caterpillar weist eine große Bandbreite an Bau- und Bergbaumaschinen sowie zugehörigen Komponenten und Equipment
auf, mit der wir einen Großteil des Bedarfs am Markt abdecken können. Darüber hinaus hat Zeppelin in Abstimmung mit Caterpillar die Möglichkeit, mit eigenen Produkten oder Produkten anderer Hersteller aktiv zu sein, die keine
Schnittmenge mit dem Portfolio von Caterpillar aufweisen.
Michael Buttkus: Das Rental-Geschäft für Baumaterialien ragt in den Heim- und Handwerkerbereich hinein. Sind Sie dort auch aktiv?
Alexandra Mebus: Ja, bei Zeppelin Rental bieten wir alles rund um die Baustelle an. Da spielen natürlich auch Handwerker eine Rolle. Dennoch sind Großkunden im Rental-Geschäft der entscheidende Erfolgsfaktor. Diese fragen häufig nicht
nur einzelne Maschinen nach, sondern auch durchdachte Lösungen für Großprojekte. Das gilt übrigens auch für den Eventbereich. Denken Sie beispielsweise an große Rock-Festivals – auch hier ist Zeppelin aktiv. Für
solche Großveranstaltungen benötigen die Veranstalter Bauzäune, Zugangskontrollen, Fahrzeuge und vieles mehr. Auch hier haben wir die Möglichkeit, mit unserem breiten Portfolio und Komplettlösungen zu unterstützen und
so reibungslose Abläufe zu gewährleisten.
Michael Buttkus: Lassen Sie uns noch einmal zur KI zurückkehren. Wie gehen Sie dort vor: Wählen Sie aus bereits auf dem Markt vorhandenen Lösungen aus oder entwickeln Sie eigene Anwendungen?
Alexandra Mebus: Beides. Es gehört zur Unternehmenskultur von Zeppelin, über den Tellerrand hinauszuschauen, mitzudenken und neue Ideen zu entwickeln. Unser Zeppelin Lab in Berlin als Inkubator und Innovationslabor ist dafür
der beste Beweis. Hier entwickeln wir seit 2016 digitale Lösungen, die das Bauen effizienter machen und den Alltag auf der Baustelle erleichtern. Dort spielt natürlich auch KI eine zentrale Rolle.
Michael Buttkus: Wie orchestrieren Sie den Umgang mit KI? Diese Frage beschäftigt ja gerade viele Unternehmen.
Alexandra Mebus: Das ist ein spannender Prozess. Wir haben ChatGPT und die daraus entstandene KI-Euphorie zum Anlass genommen, erstmals alle KI-Lösungen zentral zu bündeln. Wir haben eine KI-Task-Force mit Vertretern aus jeder
unserer strategischen Geschäftseinheiten gegründet, in der auch Vertreter aus Cybersecurity, Data Compliance, Legal und Group IT sitzen. Gemeinsam wurde dort geprüft, wie KI bereits zum Einsatz kommt, welche Use Cases es gibt und wie
die Zielsetzung für die Zukunft aussieht. Ganz konkret: Es geht um die Einführung einheitlicher Plattformen, auf denen alle Mitarbeitenden mithilfe von KI effizient arbeiten können.
Michael Buttkus: Interessant, danke für das Gespräch!
Alexandra Mebus ist seit 2018 Geschäftsführerin und CHRO des Zeppelin Konzerns in Garching bei München. Zuvor war die Personalexpertin in verschiedenen Leitungsfunktionen des Personalmanagements für die Robert Bosch GmbH und die Voith Turbo GmbH tätig.
Der Zeppelin Konzern bietet Lösungen in den Bereichen Bau- und Bergbaumaschinen, Landmaschinen, Vermietung, Baulogistik und Baustellenmanagement, Antrieb und Energie sowie Engineering und Anlagenbau. In 26 Ländern weltweit beschäftigt das Unternehmen mehr als 10.000 Mitarbeitende; 2023 machte es einen Umsatz von 3,9 Milliarden Euro.