Tradition bremst Deutschlands Wirtschaft aus: Eine Mehrheit der Unternehmen hält die eigenen Geschäftsprozesse für überaltert. 71 Prozent von ihnen wollen Abläufe und Wertschöpfungsketten daher komplett neu ausrichten und setzen auf das Re-Engineering ihrer Abläufe und Regeln. Zwei von drei Unternehmen beabsichtigen beim Umbau der internen und externen Abläufe, die Möglichkeiten der Automatisierung zu nutzen. Das sind die Ergebnisse der Studie „Potenzialanalyse Operative Effizienz“ von Sopra Steria und dem F.A.Z.-Institut.
Weltweit gilt „made in Germany“ als Qualitätssiegel. Viele deutsche Unternehmen schwören auf Tradition. In Zeiten der Digitalisierung wird das zur Herausforderung. Viele Geschäftsprozesse in deutschen Unternehmen sind nicht mehr zeitgemäß und bremsen die Entwicklung. Waren die Bereiche Sales und Aftersales beispielsweise lange Zeit strikt getrennt, so ist die Verbindung der Prozesse über alle Kontaktpunkte mit dem Kunden hinweg heute die Voraussetzung, um völlig neue Dienstleistungen rund um ein Produkt zu entwickeln und anzubieten. Und gab es zuvor nur wenige Schnittstellen mit Kunden und Drittanbietern, existieren inzwischen viele verschiedene und müssen – um Kundenwünschen zu genügen – auch bespielt werden.
Besonders im verarbeitenden Gewerbe steht Re-Engineering daher hoch im Kurs (76 Prozent), um die digitale Transformation des eigenen Geschäftsmodells voranzutreiben. Schon vor der COVID-19-Pandemie hatte die Industrie mit Effizienz-Defiziten zu kämpfen, die es nun umso dringender anzugehen gilt. Aber auch drei von vier Finanzdienstleistern (72 Prozent) sowie zwei Drittel der öffentlichen Verwaltungen und Versorgungsunternehmen (63 Prozent) sehen vor allem in der kompletten und teilweisen Neugestaltung von Abläufen die Möglichkeit, die Prozesseffizienz zu steigern.
Inhouse-Erneuerung steht im Fokus
„Für viele Unternehmen stand bereits vor Corona – angesichts einer sich abzeichnenden Eintrübung der Konjunktur – fest, dass sie ihre internen und externen Abläufe grundlegend anpassen müssen“, sagt Jens Rohde, Experte für digitales Prozessmanagement bei Sopra Steria Next. „Die Pandemie hat den Handlungsdruck für viele Firmen nun nochmals deutlich erhöht.“ Grundsätzlich ermöglicht die Digitalisierung, Geschäftsmodelle neu und weiterzuentwickeln. Sie fordert von den Unternehmen jedoch auch Flexibilität und Anpassungsfähigkeit.
Neben dem Re-Engineering sehen zwei von drei Unternehmen (61 Prozent) in der Automatisierung einen Weg zu mehr Prozesseffizienz. Immerhin jedes zweite Unternehmen will Tools wie Process Mining verwenden, um Prozesse auf der Grundlage digitaler Daten zu optimieren. Mehr als ein Drittel (39 Prozent) setzt auf digitale Prozessschnittstellen zu externen Partnern.
Neue Technologien und Ansätze wie Robotic Process Automation fördern die Entwicklung, dass sich Unternehmen effizienter aufstellen. Mithilfe von Softwarerobotern und interner Prozessoptimierung wollen sie Quick Wins erzielen, beispielsweise schnellere Kontoeröffnung oder Kreditprüfung bei Banken, eine einfachere Verlängerung des Personalausweises in der öffentlichen Verwaltung oder Kosteneinsparungen im Helpdesk großer Industrieunternehmen.
Der Fokus liegt derzeit auf Inhouse-Effizienzprogrammen. Nur 13 Prozent der Befragten sehen im Outsourcing eine vorrangige Möglichkeit, operativ effizienter zu arbeiten, so die Studie. Teilweise ist das Potenzial bereits ausgeschöpft. In anderen Unternehmen dienen interne Maßnahmen der Vorbereitung auf eine künftige Auslagerung von Prozessen. „Je besser ein Unternehmen seine internen Abläufe anpasst und Prozesse transparent macht, umso größer ist der Benefit, den es durch das Outsourcing erreichen kann“, erklärt Jens Rohde von Sopra Steria Next.
Über die Potenzialanalyse Operative Effizienz
Die Studie „Potenzialanalyse Operative Effizienz“ von Sopra Steria und dem F.A.Z.-Institut gibt die Ergebnisse einer Befragung unter 323 Entscheidern und Führungskräften aus den Branchen Finanzdienstleistungen, verarbeitendes Gewerbe, öffentliche Verwaltung und Versorgung sowie Telekommunikation und Medien wieder. Im Januar und Februar 2020 wurde danach gefragt, wie die Unternehmen und die öffentliche Verwaltung effizienter werden wollen.