Zwei von drei Konsumenten in Deutschland wählen ihren Energieversorger vorrangig nach dem Preis aus. Rund 37 Prozent achten vor allem darauf, dass der Strom oder die Wärme aus erneuerbarer Energie stammt. Ebenso viele entscheiden sich für den Anbieter mit dem besten Kundenservice. Trotz der Preissensibilität ist die Wechselbereitschaft gering. Das ergibt eine repräsentative Umfrage im Auftrag der Management- und Technologieberatung Sopra Steria.
Wenn Verbraucher verschiedene Versorger vergleichen, achtet die Mehrheit somit vorrangig auf den Preis. Klimaschutz und Nachhaltigkeit zählen zwar zu den drei zentralen Faktoren bei der Auswahl eines Energieversorgers, so die Umfrage. Dennoch ist es für die Anbieter schwer, allein mit dem Angebot von Windkraft-, Sonnen- oder Wasserkraftenergie Kunden zu gewinnen. „Strom oder Wärme aus erneuerbaren Energien ist durch die Energiewende ein Standardprodukt geworden, das jeder Versorger praktisch anbieten muss. Damit taugt Nachhaltigkeit allein als Differenzierungsmerkmal im reinen Vertragsgeschäft nicht“, sagt Jürgen Dreiseidler, Partner Energy Utilities bei Sopra Steria.
Energieberatung wird Wachstumstreiber
Anders sieht es beim Geschäft mit Zusatzleistungen aus wie der Energieeinsparberatung. Hier entwickelt sich Nachhaltigkeit zu einem wichtigen Wachstumstreiber der Energiebranche. Beispiel Haus- und Wohnungseigentümer: 29 Prozent der Eigentümer von Wohnraum haben in den vergangenen fünf Jahren eine Energieberatung genutzt, so die Bundesstelle Energieeffizienz des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle. Diese Serviceleistung bieten neben Verbraucherzentralen und öffentlichen Stellen auch immer mehr Energieversorger an.
Darüber hinaus werden Unternehmen ihren Teil der politisch beschlossenen CO2-Reduktion nicht im Alleingang erreichen und suchen dafür Experten. Energieversorger werden sich hier verstärkt als Transformationspartner für Firmenkunden positionieren und sie mit ihrem Know-how beim Thema Nachhaltigkeit und „sauberes“ Wachstum unterstützen. „Die Energieversorger werden sich vom reinen Lieferanten zum Dienstleister wandeln müssen, um für sich Wachstum zu erzeugen“, sagt Jürgen Dreiseidler von Sopra Steria. Beratungspotenzial für Unternehmen besteht beispielsweise bei der Gebäudedämmung, dem Fuhrparkmanagement sowie im Identifizieren von Einsparmöglichkeiten bei Produktions- und Lieferprozessen.
Wechselbereitschaft gering – trotz geringer Hürden
Energieversorger werden somit bei ihren Geschäftsmodellen umdenken, auch um einem Preiskampf aus dem Weg zu gehen. Zumal eine Preisführerschaft noch kein Garant für viele Neukunden ist. Preisunterschiede zu Wettbewerbern müssen extrem groß sein, damit Kunden ihren Anbieter wechseln. 26 Prozent der deutschen Haushalte beziehen ihren Strom noch im teuren Grundversorgungstarif ihres lokalen Versorgers, so die Bundesnetzagentur. Beim Gas sind es 17 Prozent. Obwohl Verbraucher in Deutschland mittlerweile zwischen über hundert Energielieferanten wählen können, ist die Anzahl der Haushalte, die ihren Lieferanten gewechselt haben, 2020 leicht gesunken. „Das zeigt, dass Konsumenten zwar prinzipiell auf den Preis schauen, aber träge sind, wenn es dann an den tatsächlichen Wechsel geht. Für wenige Euro Ersparnis im Jahr sind selbst die wenigen Klicks bis zum neuen Anbieter zu viel Aufwand“, so Dreiseidler.
Gut informierter Kundenservice senkt Wechselrisiko
Einer der Hauptgründe für den Anbieterwechsel sind weniger die Rabatte der Konkurrenz, sondern hohe Nachzahlungen. Durch Corona könnten diese 2021 höher ausfallen als in anderen Jahren und zu einer größeren Wechselbereitschaft führen, zeigt eine YouGov-Studie. Energieversorger sind somit im Kundenservice gefordert, Wechselrisiken zu erkennen und gegenzusteuern. Der Informationsvorsprung durch Datenanalyse und mithilfe moderner Technologien wie Künstlicher Intelligenz entwickelt sich dabei zum Wettbewerbsvorteil. „Energieversorger, die die wechselbereiten Kunden erkennen und diese gezielt mit Kulanz oder Sondervergünstigen von einer Kündigung abhalten, sind gegenüber denen im Vorteil, die teure Vertriebsprogramme aufsetzen müssen“, sagt Energieexperte Jürgen Dreiseidler von Sopra Steria.
Über die Umfrage
Das Meinungsforschungsinstitut Civey hatte im September 2020 im Auftrag von Sopra Steria eine Echtzeit-Befragung eines repräsentativen Querschnitts der Gesamtbevölkerung mit 5.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern durchgeführt. Gefragt wurde unter anderem, welche Kriterien bei der Auswahl eines neuen Energieversorgers entscheidend sind.