Die öffentliche Verwaltung kommt mit der Einführung neuer Technologien nicht voran. Der Grund: Es fehlen Spezialisten. Fast drei Viertel (72 Prozent) der Entscheiderinnen und Entscheider bei Bund, Ländern und Kommunen berichten von nicht besetzten IT-Stellen. Die Mehrheit der Behörden plant neben Fortbildungen eine Anpassung der Zusammenarbeit mit IT-Dienstleistern. Das sind die Ergebnisse des „Branchenkompass Public Sector 2020“ von Sopra Steria und dem F.A.Z.-Institut.
Digitale Vorhaben wie E-Signatur und E-Akte, Open und Mobile Government sowie Cloud Computing und Automatisierung sollen die öffentliche Verwaltung effizienter machen und Behördengänge für Bürgerinnen und Bürger vereinfachen. Für diesen Umbau und die Einführung neuer Technologien wie Robotic Process Automation, Künstliche Intelligenz (KI) und Blockchain fehlen allerdings geeignete Fachkräfte. Data Scientists, IT-Sicherheitsexperten und Machine-Learning-Spezialisten sind begehrt, auch in der Privatwirtschaft.
Die öffentliche Verwaltung setzt deshalb auf Anreize. Das Besoldungsstrukturenmodernisierungsgesetz, seit 2020 in Kraft, erlaubt beispielsweise Prämien und Zulagen, um neue Digitalfachkräfte zu gewinnen und das bestehende IT-Personal halten zu können. 61 Prozent der Behörden investieren zudem seit circa zwei Jahren verstärkt in Skill- oder Personalressourcenmanagement, ergibt der Branchenkompass Public Sector 2020. Bund, Länder und Kommunen sind vor allem gefordert, stärker um Talente und IT-Profis zu werben, damit sie im Personalmarketing mit Unternehmen mithalten können.
Anreize und ein aktives Recruiting allein werden allerdings nicht reichen, um genügend Fachpersonal für die digitale Transformation zu gewinnen. Jeder dritte Behördenmanager beklagt fehlendes Spezialwissen und Know-how-Lücken bei vorhandenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Hier stehen signifikante Investitionen in Fortbildungsmaßnahmen an. „Wichtig ist, dass Behörden ihren IT-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeitern nicht nur Schulungen in neuen Technologien anbieten. Sie sollten zusätzlich in strukturelle und organisatorische Veränderungen investieren“, sagt Ulf Glöckner, stellvertretender Leiter von Next Public, der Strategie- und Managementberatung für den Public Sector bei Sopra Steria.
Um innovativer zu werden, aber auch attraktiver für junge Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer planen 88 Prozent der befragten Behörden mehr Beteiligung der Beschäftigten an digitalen Veränderungsprozessen. Mehr als jede zweite Behörde organisiert die Arbeit künftig in crossfunktionalen Teams und führt agile Methoden ein. IT- und Fachseite sollen besser voneinander lernen, um Projekte zu beschleunigen.
Outsourcing von Fachverfahren grundsätzlich denkbar
Darüber hinaus überprüfen viele Behörden die Zusammenarbeit mit ihren IT-Dienstleistern. Ziel ist, Leistungen effizienter zu managen und die Dienstleister besser einzubinden. 56 Prozent der befragten Entscheider können sich vorstellen, dass Verwaltungsdienstleistungen und Fachverfahren auch von privaten IT-Unternehmen bereitgestellt werden können. Behörden könnten digitale Prozesse und Technologien aus einer Hand von außen beziehen und so einen Teil des notwendigen Digital-Know-hows einkaufen, statt es selbst aufzubauen.
Mittelfristig werden Bund, Länder und IT, genauso wie Unternehmen, allerdings nicht um einen breiten Aufbau interner digitaler Kompetenzen herumkommen. „Die Leistungsangebote der öffentlichen Verwaltung werden immer digitaler. Allein das Automatisierungspotenzial ist enorm. Deshalb ist IT-Know-how für jede Behörde eine Schlüsseldisziplin, allein schon um Technologieentwicklungen für die eigene Nutzung zu bewerten“, sagt Ulf Glöckner von Sopra Steria.
Über die Studie „Branchenkompass Public Sector 2020“
Von Februar bis März 2020 befragte das Marktforschungsinstitut ForschungsWerk im Auftrag von F.A.Z.-Institut und Sopra Steria 100 Entscheider aus 100 deutschen Bundes-, Landes- und Kommunalverwaltungen zum Status und zu den Herausforderungen der Digitalisierung im öffentlichen Sektor. Die Befragten sind für Digitalisierung oder E-Government in ihrer Behörde zuständig. Die Befragung wurde in Form von Computer Assisted Telephone Interviewing (CATI) durchgeführt.
Die befragten öffentlichen Verwaltungen setzten sich zu 30 Prozent aus Bundes- und Landesbehörden und zu 70 Prozent aus Behörden von Kommunen – 23 Prozent Landkreise und 47 Prozent Städte und andere Gemeinden ab 20.000 Einwohnern – zusammen. In vertiefenden Interviews wurde Ende März 2020 mit drei Verwaltungsentscheidern über ihre Erfahrungen und Standpunkte gesprochen.
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