Öffentliche Verwaltung in Deutschland im Digitalisierungsstress - Sopra Steria veröffentlicht „Branchenkompass Public Services 2018“

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Bund, Länder und Kommunen in Deutschland forcieren die digitale Aufholjagd. Gut jede dritte Behörde hat das Basisziel eines elektronischen Zugangs vollständig oder weitgehend erreicht. 39 Prozent befinden sich mitten in der Umsetzung. Die elektronische Akte, einer der Eckpfeiler für eine digitale Verwaltung, befindet sich bei drei von vier Verwaltungen auf Kurs. Größeres Kopfzerbrechen bereiten die im Onlinezugangsgesetz (OZG) enthaltenden Vorgaben, alle geeigneten Verwaltungsdienste bis 2022 online zur Verfügung stehen. Das ergibt die Studie „Branchenkompass Public Services 2018“ von Sopra Steria und dem F.A.Z.-Institut.

Das Ziel einer digitalen Verwaltung ist das beherrschende Thema der öffentlichen Verwaltung. Für 86 Prozent der Entscheider bei Bund, Ländern und Kommunen ist die Umsetzung der zahlreichen Programme und Vorschriften wie E-Government-Gesetz und Onlinezugangsgesetz Top-Aufgabe der kommenden zwei Jahre. Die bisherige Umsetzung der zahlreichen Vorhaben ist unterschiedlich weit fortgeschritten. Die elektronische Vergabe über Plattformen wie www.evergabe-online.de ist bei rund jeder zweiten Behörde möglich. Die Online-Bezahlung bietet dagegen erst jede zehnte Verwaltungseinrichtung an, weitere 49 Prozent arbeiten an der Umsetzung.

„Digitalisierung ist Belastungsprobe“

Mehr als die Einrichtung konkreter E-Government-Dienste beschäftigen organisatorische Aufgaben die Verantwortlichen. Prozessmanagement, Aufgabenpriorisierung sowie interne Organisation stehen bei mindestens 70 Prozent der Entscheider weit oben auf der Agenda. „Zudem muss der Aufbau einer digitalen Verwaltung intern begleitet werden. Die Weiterentwicklung der gewohnten Arbeitswelt sowie das Erlernen neuer Technologien und ungewohnter Prozesse erfordern Maßnahmen, die neben der Technologie den Faktor Mensch ebenfalls in den Fokus nehmen. Diese sollten in jeder digitalen Strategie vorhanden sein“, sagt Studienleiter Ulf Glöckner, Manager Public Services bei Sopra Steria.

Die Hürden und der enge Digitalisierungszeitplan sorgen für mehr Zusammenarbeit der Verwaltungen untereinander, zeigt die Studie. Vernetzung und Partnerprogramme funktionieren oder befinden sich im Aufbau, sagen rund acht von zehn Entscheidern. „Die öffentliche Verwaltung in Deutschland hat mit dem digitalen Umbau gerade einen Kraftakt zu bewältigen. 575 Anliegen in fünf Jahren zu digitalisieren erfordert vor allem Kooperationen auf allen Ebenen“, sagt Bernd Baptist, Leiter des Geschäftsbereichs Public Sector bei Sopra Steria. „Der im OZG festgelegte Termin 2022 ist eine echte Belastungsprobe für alle Verwaltungsteile. Die Frist führt aber gleichzeitig zu pragmatischen Lösungen, zeigt die Praxis“, so Baptist.

Abwehr von Hackern und Datenschutz binden viele Ressourcen

Eine direkte Folge der Digitalisierung ist die Dominanz von Sicherheitsthemen. Cyberkriminalität wird von fast allen Verwaltungsentscheidern als sehr große Gefahr eingeschätzt. Angesichts des hohen Ressourcenbedarfs steigen die Investitionen in eine Professionalisierung der IT-Sicherheit. Jede zweite Behörde verstärkt ihren Schutz durch regelmäßig durchgeführte Penetrationstests durch IT-Sicherheitsexperten. 24 Prozent der befragten Verwaltungen planen den Aufbau eines Security Operation Center (SOC) für die Cyber-Security-Arbeit. 31 Prozent wollen diese Aufgaben an externe Sicherheitsspezialisten auslagern.

Bei den Investitionen in konkrete E-Government-Projekte liegt der Fokus der Verwaltungen in den kommenden zwei Jahren auf der Umsetzung der E-Akte und der automatischen Vorgangsbearbeitung. Zudem sollen Open und Mobile Government vorangetrieben werden. Mehr als jeder dritte Entscheider plant Budget für die Entwicklung entsprechender Angebote ein. Frei verfügbare und maschinell nutzbare öffentliche Daten sollen Impulse für innovative Geschäftsmodelle von Unternehmen liefern sowie für mehr Transparenz sorgen. Mobile Government ist vor allem Thema der großen Kommunen ab 100.000 Einwohner und der Länder. Beispiele sind Melde-Apps, mit denen Bürger Verkehrsprobleme oder Müllablagerungen melden können, sowie der im Oktober 2017 gestartete Pilotbetrieb „Mobiler Arbeitsplatz“ der Polizei Rheinland-Pfalz.

Kommunen spüren dünne Finanzdecke und demographische Effekte am stärksten

Andere brisante Themen der vergangenen zwei Jahre wie die Haushaltslage sowie Zuwanderung sind wichtig, verlieren im Vergleich zum Überthema Digitalisierung derzeit etwas an Brisanz, so die Studie. Nur jeder fünfte Verwaltungsentscheider nennt beispielsweise die Schuldenbremse als eine Top-Herausforderung der kommenden Jahre. Die Finanzlage der Kommunen bleibt allerdings angespannt. Gerade in strukturschwachen Regionen konkurrieren hohe Sozialausgaben mit den Investitionen. Dazu kommt der längst überfällige Netzausbau.

Kommunen und große Städte (86 Prozent) spüren zudem häufiger als Bundes- und Landesbehörden die Folgen demografischer Entwicklungen. Die Zuwanderung trifft vor allem die Metropolen und Großstädte. Damit verschärft sich dort die Wohnungssituation deutlich. Verwaltungen in ländlichen Regionen müssen dagegen mehr als andere die Überalterung der Bevölkerung abfedern. Das betrifft auch das Personalmanagement der deutschen Verwaltungen. Jeder vierte Beschäftigte im öffentlichen Dienst ist über 55 Jahre alt und wird in den nächsten Jahren in den Ruhestand gehen. 61 Prozent der Entscheider wollen mit strategischen Einstellungs- und Weiterbildungsoffensiven reagieren, 57 Prozent setzen parallel auf die Prüfung und effiziente Weiterentwicklung ihrer Aufgabenwahrnehmung. 44 Prozent der Befragten sind für eine systematische Prüfung von Aufgaben und Abläufen, die noch vor der Digitalisierung von Prozessen durchgeführt wird. Direkte Kürzungen bei Zuschüssen und freiwilligen Leistungen sollen dagegen die absolute Ausnahme bleiben.

Über die Studie: Gesichter der Digitalen Verwaltung kommen zu Wort

Von Februar bis März 2018 befragte das Marktforschungsinstitut Forschungswerk im Auftrag von F.A.Z.-Institut und Sopra Steria  100 Entscheider aus 100 deutschen Bundes-, Landes- und Kommunalverwaltungen zu den aktuellen und zukünftigen Herausforderungen durch die Digitalisierung im öffentlichen Sektor. Die Befragung wurde in Form von Computer Aided Telephone Interviewing (CATI) durchgeführt. Die befragten öffentlichen Verwaltungen setzen sich zu knapp einem Drittel aus Bundes- und Landesbehörden und zu gut zwei Dritteln aus Gemein­den und Landkreisen zusammen. Im Studiendesign sind nur Kommunen ab 20.000 Einwohner vertreten. Darüber hinaus wurde in vertiefenden Interviews mit Spitzenvertretern der öffentlichen Verwaltung sowie der Bundesarbeitsgemeinschaft der Kommunalen IT-Dienstleister e.V. (Vitako) zu ihren Erfahrungen und Standpunkten gesprochen.

 

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