Von welchem europäischen Land könnte sich Deutschland bei der Digitalisierung der Verwaltung Anregungen holen?
Andreas Simon: Zuerst fallen mir unsere österreichischen Nachbarn ein, die mit der umfassenden Implementierung von E-Government-Angeboten schon sehr weit sind. Zudem werben die öffentlichen Stellen in der Bevölkerung massiv für diese Angebote, damit die Bürgerinnen und Bürger sie auch nutzen. Weit sind auch die baltischen Staaten wie Lettland oder Litauen, die das Thema Digitalisierung in der Verwaltung deutlich stringenter angehen. So gibt es dort bereits Servicekonten, bei denen man seine Login-Daten von Banken oder auch Google verwenden kann.
Bei dem für Sopra Steria erhobenen Digital Government Barometer fragt IPSOS regelmäßig 4.000 Personen aus Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Norwegen nach ihrer Einschätzung von E-Government, und es fällt auf, dass Deutschland im europäischen Vergleich bislang immer eine Nummer schlechter abschneidet. Der übergreifende Zugriff auf alle Online-Leistungen von Bund, Ländern und Kommunen über ein Portal ist erst im Aufbau begriffen. Wir entwickelten aktuell für den Bund das System zum länderübergreifenden Informationsaustausch, um von einem Portal auf alle Dienstleistungen zugreifen zu können.
Wo ist Deutschland denn schon auf Augenhöhe mit den europäischen Nachbarn?
Im Bereich der Steuerverwaltung sind wir schon ganz gut, zum Beispiel bei der Abgabe von Steuererklärungen über Elster und die damit verbundene Anbindung der verschiedenen Steuersoftware-Lösungen an die Finanzverwaltungen in den Ländern.
Dänemark hat seine Verwaltung mittlerweile komplett digitalisiert. Ist das für die föderal verfasste Bundesrepublik Deutschland überhaupt denkbar?
Dänemark ist in der Tat ein guter Maßstab für die Digitalisierung der Verwaltung, an dem wir uns orientieren sollten. Allerdings macht das föderale System viele Abstimmungsprozesse zwischen Bund, Ländern und Gemeinden nötig. Die sind komplex und dauern länger. Dennoch: Das Ziel der kompletten Digitalisierung von Verwaltungsstrukturen ist richtig und aus Sicht der Bürger wie der Verwaltungen selbst auch notwendig.
Nicht einmal einer von zwei Bürgern unseres Landes nutzt E-Government-Angebote von Verwaltungen und Regierungen, sagt die Studie. Worauf führen Sie das zurück: auf das mangelnde Angebot der Behörden oder auf die Unlust der Menschen, diese Angebote zu nutzen?
Das hängt möglicherweise zusammen. Dabei geht es aber weniger um die quantitative Größe des Angebots der digitalen Verwaltung, sondern um die Hürden bei der Nutzung: Wenn Registrierung und Logins zu kompliziert sind, man für jedes Portal eigene Zugangsdaten benötigt, die man vielleicht nur einmalig oder auch einmal im Jahr braucht, dann liegt die Hürde zu hoch und die Bürger werden sich verweigern.
Hier könnten zentrale Servicekonten helfen, bei denen man sich einmal und damit für alle Verwaltungsleistungen anmeldet. Die Verwaltungen könnten über ein einheitliches Serviceportal alle elektronischen Behördengänge zusammenfassen und würden so die Schwelle zur Nutzung und – nebenbei – auch den Aufwand für die Administration massiv reduzieren. Angedacht ist ein solches System schon längst, aber anders als in Dänemark hat Deutschland im föderalen System den schwereren Parcours vor sich und noch die ein oder andere organisatorische Hürde mehr zu überwinden.
Vielen Dank!
Dr. Andreas Simon, Senior Manager Public Sector bei Sopra Steria