Branchenkompass Banking 2018: "Die sogenannten Digital Natives erzeugen einen gewissen Innovationsdruck auf die Banken"

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Nachgefragt!-Interview mit Stefan Lamprecht, Senior Partner Banking bei Sopra Steria, zu zukünftigen Geschäftsmodellen im Banking, einer fundierten Digitalisierungsstrategie und dem Zusammenspiel von Fintechs und traditionellen Kreditinstituten. 

Herr Lamprecht, welches Ergebnis aus dem Branchenkompass Banking 2018 sticht für Sie persönlich am meisten heraus?

Die Branche öffnet sich noch viel stärker für den Kunden, konzentriert sich allerdings auch viel mehr auf andere Marktteilnehmer, Fintechs und Wettbewerber als es je der Fall war. Es geht um neue Geschäftsmodelle, Plattformen, Ökosysteme und einschneidende Umbaumaßnahmen. Aber auch im Betrieb der Bank und in der IT bewegt sich zurzeit einiges. Viel dreht sich um Standardisierung, Cloudifizierung und Pay-per-Use-Modellen.

 

Immer mehr Führungskräfte aus dem Banksektor sehen sehr großen Handlungsbedarf am eigenen Geschäftsmodell. Welche neuen Modelle werden in den kommenden Jahren entstehen?

Speziell im Retail Banking werden wir digitale Ökosysteme, Plattformen und eine breite Marktöffnung mit ganz neuen Marktteilnehmern sehen. Bei den Ökosystemen stellt sich dann die wichtige Frage, wer die Schnittstelle zum Kunden hält und wer solch ein Ökosystem orchestriert. Es wird ein Wettbewerb entstehen, der sehr stark datengetrieben ist. Man unterstellt den Banken oft, dass sie sehr viel über die Kunden wissen und die Dateninformationsquellen, die ihnen zur Verfügung stehen, nicht nutzen. Das wird sich ändern. Banken werden sich darauf einstellen und werden auf diesen Plattformen in Konkurrenz zu heutigen Plattformanbietern (z.B. aus dem Handel) treten.

Das Firmenkundengeschäft ist dagegen sehr komplex in der Produkt- und Beziehungsstruktur. Ich denke hier an Plattformen für Firmenkunden und an Finanzportale. Es gibt auch schon einige Beispiele, wie „Blue Port“ von der Deutschen Bank. Das finde ich durch die Anbindung an das Start-up „FastBill“, das die Rechnungstellung, Buchhaltung und Steueradministration für Gewerbetreibende und kleinere Unternehmen erledigt, sehr überzeugend.

Zusammenfassend kann man sagen, dass die Modelle sehr unterschiedlich ausfallen werden und von der Zielgruppe und dem Marktsegment abhängen.

 

Kaum ein Drittel der Befragten gibt an, über eine ganzheitliche Digitalisierungsstrategie zu verfügen. Warum fehlt diese in so vielen Instituten?

Man muss berücksichtigen, in welcher Phase man aktuell ist. Es braucht die Innovationsphase und in vielen Teilen das Trial-and-Error-Verfahren, bevor man zu einem ganzheitlichen Ansatz kommt. Es ist eine Frage von Time to Market. Generell wird erst einmal ausprobiert. Das ist wichtig für den Kompetenzaufbau der beteiligten Mitarbeiter, die man ja schließlich auch mitnehmen muss.

Am langen Ende braucht es natürlich eine konsistente Digitalisierungsstrategie, denn die Gefahr eines Flickenteppichs ist viel zu groß. Im Bankensektor haben wir die Herausforderung, auf der Operations- und IT-Seite sehr stark standardisieren zu müssen und Effizienz zu erzielen. Mit einem Flickenteppich wird dies sehr schwer möglich sein. Wie bereits gesagt, werden sich die Geschäftsmodelle verändern. An diesen Modellen werden sich dann auch die individuellen Digitalisierungsstrategien orientieren.

 

Der Branchenkompass zeigt anhand von verschiedenen Beispielen und Branchen wie der Automobilsektor und dem E-Commerce, welche großen Geschäftschancen digitalisierte Plattformen bieten. Was können Banken von diesen Beispielen lernen?

Theoretisch könnten sie es 1 zu 1 übernehmen, wenn es so einfach wäre. Eine Plattform ist ja erst einmal nichts anderes als eine Infrastruktur, die in der Lage ist, maximal skalieren zu können. On top bindet man weitere Marktteilnehmer ein, die wiederrum ja auch Kundenfrequenz mit sich bringen. Insofern soll dann die Kundenanzahl und das Volumen der Kundendaten exponentiell steigen.

Vom E-Commerce kann man sehr viel lernen. Es sind Datenraffinerien entstanden, die es sehr geschickt verstehen, mit Datenanalytik Ableitungen zu treffen und somit das Verkaufsverhalten zu beeinflussen. Das kann man den Banken als Grundregelwerk ans Herz legen. Darauf können sie mit dem Kundenbestand aufbauen, den sie bereits haben.

 

Stichwort Fintechs und Neobanken: Bewerten Sie diese eher als Konkurrenz oder als Kooperationspartner für klassische Banken?

Grundsätzlich sind sie beides. Aber der Anteil an Fintechs, die als Bank auftreten und für den Endkunden sichtbar werden, ist überschaubar. Das Gros ist eindeutig darauf ausgelegt, mit Banken zu kooperieren, Leistungen in digitale Geschäftsmodelle einzubringen. Diese Fintechs können als Wertschöpfungsspezialist einzelne Teile produktiver und effizienter bereitstellen, aber auch neue ergänzende Produkte in den Markt bringen.

Ein für mich persönlich ganz interessantes Beispiel ist „Moonfare“. Das FinTech-Unternehmen hat sich als Aufgabe gesetzt, Privatkunden Zugang zu Private-Equity-Lösungen zu verschaffen, d.h. in Losgrößen, die auch in ein Gesamtportfolio von Privatkunden als Beimischung passen. Das gab es bisher nicht. Das ist neu und innovativ. Und es schickt sich sehr gut an, im Privatkundengeschäft diese Ergänzung mit zu integrieren.

 

Im Branchenkompass Banking 2017 gaben die Entscheider an, dass der Niedrigzins der EZB die größte Herausforderung für die Branche ist. In diesem Jahr sind es der Datenschutz und die IT- Sicherheit. Was genau hat sich hier verändert?

„Ich glaube, das ist der aktuellen Phase geschuldet. Die Banken sind doch relativ stark gebeutelt und gequält von den regulatorischen Projekten, die sie initiieren mussten und die auch sehr teuer in der Umsetzung sind. Die EU-DSGVO war zum Zeitpunkt der Befragung ein sehr präsentes Thema - und ist es immer noch. Das gilt auch für aktuelle und anstehende Projekte bei der MiFID-Umsetzung.

Auf der anderen Seite ist IT-Sicherheit ein sehr zentrales Thema für die Kreditinstitute. Es gewinnt an Relevanz, je digitaler die Branche wird. Hier geht es um Vertrauen. Jeglicher Angriff auf das Funktionieren, die Zugangskontrolle oder die Datensicherheit einer Bank kann Reputation kosten, und das ist das oberste Gut, das Banken besitzen.

Dennoch ist die Zinssituation nach wie vor sehr einschneidend für die Gesamtertragssituation der Banken. In den Quartals- und Halbjahresergebnissen lässt sich gut ablesen, dass kein Provisionsertrag der Welt die Lücke im Zinsgeschäft ausgleichen kann. Insofern bleibt das rein faktisch das größte Problem.

 

Die sogenannten Digital Natives fordern von Banken neue Wege des Beziehungsmanagements und erwarten auch andere Produkte und Services. Welche Entwicklung erwarten Sie im Hinblick auf das aktive Management von Kundenbeziehungen und welche Produkte sollten Banken verstärkt anbieten?

Das ist eine hochinteressante Entwicklung im Privatkundengeschäft. Die sogenannten Digital Natives erzeugen einen gewissen Innovationsdruck auf die Banken und ich denke, dass das auch gut so ist. Auf der einen Seite geht es wieder um das Thema Datenmanagement. Digital Natives sind es gewohnt, Daten von sich aus Preis zu geben, aber sie erwarten auch eine Gegenleistung. Konkret erwarten sie auf ihre Situation zugeschnittene Produkte. Das bleiben Banken in vielen Fällen noch schuldig.

Digital Natives erwarten aber auch einen Produktabschluss – Stichwort „mobile first“ – und zwar jeder Zeit und sofort verfügbar – Stichwort: „Instant Gesellschaft“. Auch das bekommen Banken mit dem nötigen Automationsgrad und in der erforderlichen Effizienz noch nicht hin.

 

Zum Schluss eine persönliche Frage an den Bankkunden Stefan Lamprecht: Wie stellen Sie sich eine ideale Bank vor?

„Für mich zeichnet sich eine ideale Bank durch eine hoch verfügbare Online-Banking-Lösung aus, an deren Funktionalität und Usability fortwährend gearbeitet wird. Ich möchte aber bei Bedarf auch einen Berater per Chat zuschalten können –- oder zumindest einen Videochat-Termin vereinbaren können, um mir die Anreise zu ersparen.

Und einen zusätzlichen Wunsch hätte ich: Wir sprechen heute über Open Banking. Das heißt, es muss auch über Banking hinausgehen. Mir wäre es sehr wichtig, dass beispielsweise auch Versicherungen und Vorsorgeprodukte in meine Online-Gesamtkundensicht eingebunden werden können.


Stefan Lamprecht, Division Director Banking und Mitglied der Geschäftsleitung von Sopra Steria

Stefan Lamprecht, Senior Partner Banking

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